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Titel: Meltworld Shanghai Eine Rezension von Sonja Buddensiek |
Die Zeit schien stillzustehen. Hiro kam es vor, als schwebe der Tiger in der Luft und er selbst warte gelähmt auf die Erfüllung seines Schicksals. Er sah Hannah auf seinem Bett sitzen. Wann würde sie merken, dass er nicht in seinen menschlichen Körper zurückkehrte? Sie hatten für diesen Fall nichts abgesprochen. Hiro wünschte sich, dass sie vor Einbruch der Dunkelheit einfach das Zimmer verlassen und nie wieder zurückkehren möge.
INHALT
Gegen ihren Willen ist Hannah mit ihrer Familie von Deutschland nach Shanghai gezogen - einem vollen, lauten Ort, in dem sie niemanden kennt. Nur mit Mühe beginnt sie sich einzuleben, wobei ihr ihr Job in einer Bibliothek hilft. Doch dann bemerkt sie seltsame Vorgänge: Die Schatten in der Stadt scheinen verkürzt zu sein, schwarze Schmetterlinge zerfallen im Sonnenlicht und einige Gegenstände besitzen eine düstere Aura. Als sie dem jungen Hiro begegnet, erfährt sie, dass sie sich all das nicht einbildet. Und dass sie eine entscheidende Rolle dabei spielt, es wieder rückgängig zu machen...
MEINE MEINUNG
Matthias Mattings Roman "Meltworld Shanghai" ist selbst verlegt und verzaubert dennoch mit einer wunderschönen Aufmachung, die das Interesse weckt. Noch dazu kommt ein Klappentext, der etwas völlig Neues verspricht: Nämlich eine Geschichte, die in Shanghai spielt. Der Autor bedient sich dabei insgesamt 8 verschiedener Sichten, die alle mehr oder weniger oft zu Wort kommen und sich von Kapitel zu Kapitel abwechseln. Der Schreibstil ist recht angenehm, wirkt zwischenzeitlich durch kurze Sätze allerdings etwas abgehackt. Außerdem verändert sich die Art und Weise des Ausdrucks in den verschiedenen Sichten nicht grundlegend, weswegen es gut ist, dass die personale Sicht gewählt wurde, durch die man immer weiß, wer gerade erzählt.
Hannah ist die Protagonistin des Buches und zeichnet sich von Anfang an durch einige Reife im Gegensatz zu anderen Mädchen ihres Alter aus. Zwar ist sie auf den ersten Seiten etwas trotzig, weil sie in ein anderes Land ziehen musste, mit der Zeit beginnt sie aber, ihre Liebe für dieses zu entdecken. Sie ist sehr willensstark, dabei eher ruhig und dennoch sehr sympathisch. Hiro ist ein Dämon mit einer bestimmten Aufgabe und hat in seinem Leben noch nicht viel Gutes vollbracht. Nach der Begegnung mit Hannah beginnt er sich jedoch zu verändern und bemerkt, welche Freuden das Leben haben kann. Seine Wandlung vom kalten Wesen aus der Untenwelt zum zärtlichen Menschen ging mir allerdings etwas zu schnell, weswegen ich ihn nicht immer komplett ernst nehmen konnte.
Die übrigen Figuren kommen nur arg sporadisch vor und bleiben daher überwiegend blass und eindimensional, besonders Hannahs Familie, über die man so gut wie gar nichts erfährt. Ihre Arbeitskollegin Bao wird einige Male erwähnt, allerdings mehr oder weniger nur benutzt, um an Informationen zu kommen und taucht danach nur noch am Rande auf, was ich sehr schade fand. Einzig der ehemalige Mafiaboss Zhao Weng konnte mich überzeugen, weil er nicht der typische Böse ist, sondern mit einigen seiner Handlungen sowie Eigenschaften zu überraschen weiß und den Leser so für sich einnehmen kann.
Die Story selbst ist neuartig und spannend: Die Dinge verändern sich, Schatten werden kürzer und Menschen fallen auf offener Straße übereinander her, wovon Hannah auch auf ihrem Facebook-Account berichtet. Besonders klasse ist hier, dass Hannah bei der Social Network-Plattform sowie die im Buch eingebauten Links im Internet zu finden sind. Der Roman hat eine spannende, düstere und leicht mysteriöse Atmosphäre, der es schnell gelingt, den Leser in den Bann zu ziehen. Gemeinsam mit Hannah und Hiro macht man sich auf die Suche nach dem Ursprung des Bösen und lernt dabei viele unterschiedliche Persönlichkeiten kennen, die allerdings oft nur kurz auftauchen. Bei einer Figur weiß man bis kurz vor Ende auch nicht die genaue Rolle, was dann wunderbar gelöst wird und so einen schönen Aha!-Effekt auslöst.
Einige Dinge löst Matthias Matting für die Figuren allerdings viel zu einfach: Beispielsweise, dass Hannahs Kollegin Bao zufällig die Enkelin einer Frau ist, die den beiden jungen Menschen mit Informationen weiterhelfen kann - und sogar jemanden kennt, der eine direkte Verbindung zum Fadenzieher des Bösen ist. Oder dass die kleinen Helfer im Hintergrund immer zum perfekten Zeitpunkt zu Stelle sind. Dies erschien mir im Laufe der Handlung doch relativ unlogisch. Außerdem wird gern von Ort zu Ort und von Zeit zu Zeit gesprungen, wodurch manche Ereignisse schon passiert sind, bevor sie der betreffende Charakter noch einmal aus seiner Sicht schildert, was zwischenzeitlich etwas ermüdend ist. Das Finale und der damit verbundene Schluss sind jedoch so fesselnd und schlüssig geschrieben, dass sie einiges wieder wettmachen und den Leser letztendlich zufrieden zurücklassen.
FAZIT
"Meltworld Shanghai" ist ein von Autor Matthias Matting selbstverlegter Fantasy-Roman, überrascht aber mit perfekter Rechtschreibung, einer tollen Aufmachung sowie einer interessanten Geschichte, die ich so bisher noch nicht gelesen habe. Das Werk ist spannend, einige Figuren blieben mir jedoch zu blass und Probleme wurden mir zu einfach gelöst. Für Leser, die auf der Suche nach etwas Neuem sind, aber durchaus sehr empfehlenswert! Sehr gute 3,5 Punkte.