Titel: Rot wie das Meer Eine Besprechung / Rezension von Sonja Buddensiek |
Ich sehe aus dem Fenster. Der Himmel verfärbt sich unter den Wolkenstreifen immer schneller schwarz. Weit vor uns in der Ferne leuchtet ein roter Lichtschein, wo sich Skarmouth an die Küste schmiegt, der Rest der Insel aber liegt düster und unheimlich da. Im Dunkeln kann man Wasser und Land nicht voneinander unterscheiden. Ich denke an heute Morgen, als ich mit Dove oben auf der Klippe trainiert habe. Der brennende Wind auf meinen Wangen und der Geruch der See haben mein Herz schneller schlagen lassen. Ich weiß, ich sollte schreckliche Angst vor heute Abend haben, genauso wie vor morgen und dem Tag danach, und die habe ich auch, aber ich spüre auch noch etwas anderes: ein erwartungsvolles Kribbeln.
INHALT
Jedes Jahr findet auf Thisby ein Pferderennen statt, bei dem hohe Wetten abgeschlossen werden und das Interesse der Allgemeinheit immer wieder aufs Neue geweckt ist - und bei dem Menschen sterben. Denn es ist kein normales Pferderennen: Es ist eines mit Capaill Uisce, Wasserpferden, die im Herbst auf der Suche nach Fleisch aus dem Ozean kommen, von Händlern eingefangen und dann trainiert werden. Sean Kendrick hat dieses gefährliche, blutige Rennen schon viermal gewonnen und es ein fünftes Mal zu schaffen ist sein größter Wunsch. Doch dann tritt Puck Connolly an, die erste Frau überhaupt. Und auch wenn sie ihr eigenes normales Pferd reitet, ist sie eindeutige Konkurrenz. Aber nach anfänglicher Skepsis beginnt Sean ihr zu vertrauen - so sehr, dass er nicht mehr sicher ist, was das Wichtigste in seinem Leben ist...
MEINE MEINUNG
Maggie Stiefvaters Trilogie um die "Wölfe von Mercy Falls" konnte mich im Gegensatz zu vielen anderen Lesern nie begeistern. Die Geschichte von "Rot wie das Meer" ist aber so neuartig und originell, dass ich es mit der Autorin noch einmal versuchen wollte. Tatsächlich merkt man von Anfang an, dass sie hier von der Storyline her etwas ganz Besonderes geschaffen hat - auch für diejenigen, die keine Pferdenarren sind. Geschrieben ist das Ganze aus der Ich-Perspektive von Puck und Sean, wobei Puck deutlich öfter zu Wort kommt, weshalb als sie die eindeutigere und auch stärker gezeichnete Hauptperson angesehen werden kann.
Kate Connolly, Spitname Puck - weshalb, wird sich im Laufe der Handlung jeder selbst erschließen können -, lebt mit ihren zwei Brüdern gemeinsam im Haus ihrer Eltern, seit diese auf dem Ozean getötet wurden. Sie zeigt sich nach außen hin hart und unnachgiebig, fühlt sich allerdings eigentlich nur allein. Das Rennen zu gewinnen sieht sie als einzige Chance, und bei der Verfolgung ihres Ziels zeigt sie sowohl Stärke als auch Verletzlichkeit, was sie sehr sympathisch macht. Sean Kendrick ist unnahbar, einsam und nach außen hin immerzu ruhig. Seine große Liebe gilt der See und seinem Wasserpferd Corr. Mit dem Kennenlernen von Puck beginnt er einige Dinge anders zu sehen, was gut dargestellt wird, dennoch war er mir zwischenzeitlich zu kühl und die Abschnitte aus seiner Sicht zu kurz.
Nebenfiguren gibt es einige und bis zum Ende hin wusste ich bei manchen nicht, wer genau sie nun waren, weil Stiefvater viel und gern die Nachnamen nutzt, die sich irgendwann häufen. Am besten in Erinnerung blieb mir allerdings George Holly, ein Kunde von Seans Boss, der, obwohl unerfahren, doch irgendwie sehr weise wirkt, gute Ratschläge gibt und aus Sean sogar die ein oder andere Gefühlsregung herauskitzelt. Und auch Pucks Bruder Finn gefiel mir in seiner manchmal spontanen Fröhlichkeit und dann der großen Ängstlichkeit in Verbindung mit einer ihn jung erscheinen lassenden Psychose. Auch einige andere Figuren treiben die Handlung gut voran und machen den Roman lebendig, Charaktere wie Pucks anderer und älterer Bruder Gabe wirken allerdings manchmal etwas zu blass.
Wie schon in ihrer vorhergegangenen Reihe spielen auch in diesem Buch der Autorin magische Tiere eine große Rolle - diese sind allerdings weitaus gefährlicher mit ihren spitzen Reißzähne, der unglaublichen Schnelligkeit und dem Hunger nach frischem Fleisch. Nicht all meine Fragen wurden bezüglich dieser Tiere aufgeklärt, beispielsweise wie sie unter Wasser atmen, wo sie leben und wie es ihnen gelingt, zu schwimmen; dennoch geben sie ein faszinierendes Bild ab. Auch wenn ich kein Pferde-Fan bin gefielen mir die Beschreibungen der Ausritte, der Trainings und der großen Liebe, die Puck und Sean ihren jeweiligen Pferden gegenüber zeigen, doch sehr. Die Beschreibungen sind wunderschön, laden zum Träumen ein oder lassen schockiert zurück, so, wie es gerade für Stimmung und Atmosphäre erforderlich ist.
Allerdings ist auch hier Stiefvaters Schreibe für meinen Geschmack zu langsam und zu ruhig. Es dauert lange, bis Puck sich überhaupt entschließt, am Rennen teilzunehmen, noch einmal lange, bis sie richtig zu trainieren beginnt und dann noch einmal eine kleine Ewigkeit, bis Sean und sie sich zu vertrauen beginnen. Dazwischen war ich mehrmals arg gelangweilt, was auch der Grund dafür ist, dass ich für den Roman fast 2 Wochen gebraucht habe. Auch die Gefühle der Protagonisten sind viel zu spärlich gesät, vor allem zueinander, plötzlich sind sie da nach ein paar Treffen und schon wollen die beiden sich füreinander ändern - von großen Emotionen habe ich da leider nicht viel gespürt. Dennoch wird an einigen Stellen Spannung aufgebaut, die ein wenig über die langatmigen Stellen hinwegtäuscht, und besonders das Rennen zum Ende hin mit dem darauffolgenden sehr durchdachten Schluss kann vollständig überzeugen. Nur reichten diese 30 Seiten nicht aus, um mich die Langeweile im Mittelteil vergessen zu lassen...
FAZIT
"Rot wie das Meer" war für meinen Geschmack, wie schon die vorherige Trilogie der Autorin, einfach zu ruhig und langsam, die Gefühle der Hauptcharaktere an vielen Stellen zu wenig spürbar. Die phantastischen Wasserpferde und die Idee haben durchaus ihren Reiz, dennoch konnte mich das Ganze nicht vollkommen überzeugen. Für Fans von Maggie Stiefvater aber mit großer Sicherheit das Richtige! [Noch] 3,5 Punkte.